Die größten Menschen sind jene, die anderen Hoffnung geben


Trenne dich nicht von deinen Illusionen.
Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.
Mark Twain

Montag, 30. März 2015

Die Reittherapie hat mich wieder...

... oder besser gesagt: Ich habe die Reittherapie wieder und kann mein Glück kaum fassen! 

Wie es zu diesem Wunder kam? Eine Freiwillige hatte im Urlaub jemanden kennengelernt, der hier in Cali eine Organisation leitet, die Kindern eines Heims Reittherapie ermöglicht. Bei der Vorstellung, in der Organisation arbeiten zu können klopfte mein Herz natürlich schneller und sofort sprach ich mit der Freiwilligen und sie vereinbarte für mich einen Termin mit Juan Camilo, dem Direktor der Organisation. Am Freitag war es dann so weit. 

Morgens hatte ich mir in der Vorschule wegen dem Termin frei genommen. Ich musste aber trotzdem kurz ins Colegio, um den Gastronomie-Schülern für den Nachmittag eine Aufgabe zu geben. Ich kam genau zur Pausenzeit im Colegio an. Einige Vorschulkinder kamen auf mich zugerannt, drückten mich und konnten ihre Enttäuschung nicht verbergen, dass ich an diesem Tag nicht bei ihnen im Unterricht sein würde. Die Kleinen sind mir schon ziemlich ans Herz gewachsen. 
Ich hatte auch noch Zeit, mit einer anderen Freiwilligen des Colegios zu sprechen. Leider hatte sie gar keine guten Nachrichten. Vor ein paar Wochen kam eines der Mädchen meiner Vorschulklasse mit einer Wunde auf der Wange in den Unterricht. Alles deutete darauf hin, dass die Mutter sie mit einem Stuhl verletzt hatte. Heute kam dann ihr kleiner Bruder mit einem roten Auge in die Schule. Er hatte der Erzieherin erzählt, dass sein Vater ihm mit einem Gürtel ins Gesicht geschlagen hatte. Manchmal vergesse ich zwischen den schönen Bambusgebäuden des Colegios, die Realität und die Probleme der Einwohner Montebellos. Solche Ereignisse bringen mir die Wichtigkeit der Arbeit hier vor Ort wieder ins Gedächtnis. Nachdenklich und etwas fassungslos machte ich mich auf den Weg zurück nach Cali. 

Dort traf ich mich mit Juan Camilo zum Mittagessen und er konnte mir von seiner Organisation erzählen. Jeden Donnerstag kann eine feste Gruppe von fünf Kindern eines Heimes in einem Pensionsstall an der Reittherapie teilnehmen. Dabei werden ihnen Werte wie Toleranz, Selbstvertrauen und Empathie vermittelt. Das Projekt läuft jeweils über vier Monate, danach beginnt eine neue Gruppe von fünf Kindern. Am 30. April beginnt die nächste Gruppe und ich hoffe, spätestens ab da die Therapiestunden unterstützen zu können. 

Nach dem Mittagessen sind wir zum Reitstall gefahren, der ganz im Süden Calis liegt. Es gibt zwei Reitplätze und eine neue Anlage mit Reithalle und Boxen wird gerade gebaut. Mir wurde das Team der Reittherapeuten vorgestellt und natürlich habe ich von meinen bisherigen Erfahrungen in der Reittherapie erzählt. Die Leiterin des Teams ist eine Psychologin und sie sagte mir direkt, dass ich sehr gerne bei der Therapie dabei sein könnte, damit wir voneinander lernen können. Zwar findet das Projekt mit den Heimkindern der Organisation nur donnerstags statt, aber die Reittherapeuten arbeiten von montags bis samstags auch mit anderen Patienten. Mir war gleich klar, dass ich weitaus mehr lernen würde, als dass ich den Profis etwas beibringen könnte und ich freute mich riesig über diese Möglichkeit. 
Offenbar kamen wir gerade rechtzeitig an, denn kurz nach unserem Gespräch hat eine Therapiestunde begonnen, bei der ich direkt mitmachen durfte. Die Reittherapie findet drauβen auf einer groβen Wiese statt. Vier Pferde standen schon bereit, während die Kinder noch barfuβ und mit Bällen und anderem Spielzeug auf der Wiese saβen. Dann ging es los und ich durfte die Psychologin dabei begleiten, wie sie mit einem etwa fünfjährigen Jungen die verschiedensten Übungen auf dem Pferd machte. Sie arbeitet meiner Meinung nach sehr professionell und gewissenhaft und es macht Spaβ dabei zu sein. Auch ich durfte ein paar Übungen mit dem Kind durchführen, während mich die Psychologin über Reittherapie in Deutschland ausfragte und wie die Stunden bei uns organisiert sind. 
Nach der Stunde mussten wir das Wunderland leider schon wieder verlassen. Es war ein toller Nachmittag, ich habe jede Menge neue Eindrücke mitgenommen und hoffe, bald regelmäβig dort arbeiten zu können. Mit Sicherheit könnte ich dort eine Menge lernen. 

Heute habe ich mit der Koordinatorin der Freiwilligen gesprochen und sie möchte sich die Organisation diese Woche noch ansehen. Alle bitte Daumen drücken!!! 

Liebe Grüβe an euch alle, 
eure Bianca   






Mittwoch, 25. März 2015

Endlich ein Update

Es hat sich in den vergangenen Wochen viel geändert, darum nehme ich mir heute endlich die Zeit, euch mal wieder auf den neusten Stand der Dinge zu bringen... 

Kehrtwendung an meiner Arbeit 
Zuletzt hatte ich bezüglich meiner Arbeit über die Lehrwerkstatt Hotellerie und Tourismus berichtet, in der ich unterrichtet hatte. Leider wurde diese Lehrwerkstatt – wie auch drei weitere – Ende Dezember vorerst geschlossen. Es gab keine Mittel um die Lehrergehälter zahlen zu können. Ich wurde zwar vom Direktor von Escuela para la Vida darum gebeten, den Lehrer vorübergehend zu vertreten, aber obwohl ich natürlich sehr gut für die Stelle geeignet gewesen wäre und ich das auch gerne gemacht hätte, durfte ich es leider durch die Regeln des BMZ nicht. Die Schülerinnen konnten die Ausbildung somit vorerst nicht weiterführen. Eine Schülerin macht gerade ein Praktikum im Büro von Escuela para la Vida. Von den anderen Schülerinnen weiβ ich nichts. 
Auch drei Schüler der geschlossenen Lehrwerkstatt für Einzelhandel absolvieren gerade ein Praktikum bei Escuela para la Vida. Einer von ihnen arbeitet mit Carolina am Festival VivaGuadua. Dadurch wird meine Mithilfe momentan nicht mehr benötigt. 
Plötzlich hatte ich durch diese Änderungen jede Menge Zeit, die ich hauptsächlich dafür nutzen wollte, Stiftungen wegen Fördergeldern anzuschreiben und ähnliches. Die Arbeit im Bereich Fundraising erschien mir am dringendsten. Leider war das nach vielen Hin und Her aber nicht möglich, denn das BMZ möchte leider nicht mehr, dass Freiwillige selbstständig arbeiten. Wir dürfen jetzt ausschlieβlich unter Anleitung arbeiten und in den meisten Fällen wird das auch eingehalten. In meiner Organisation konnte mir allerdings niemand als Ansprechpartner zur Verfügung gestellt werden. Dadurch hatte ich im Büro somit keine Aufgaben mehr. 
Durch ein paar Umwege arbeite ich jetzt schlieβlich morgens in der Vorschule des Colegios de las Aguas und begleite dort den Unterricht. Konkret heiβt das, dass ich zum Beispiel Aufgabenzettel in Schulhefte klebe, Spiele austeile und einsammele, Schnürsenkel zubinde und nach dem Unterricht den Klassenraum sauber mache. Es ist nicht das, was ich mir für mein FSJ vorgestellt habe und ich bin mir sicher, ich könnte in vielen anderen Bereichen mehr erreichen und selbstverständlich auch mehr lernen, aber leider lässt das BMZ das nicht mehr zu. Wenigstens hat mich die Lehrerin gerne bei sich im Unterricht und die Kinder freuen sich riesig, wenn sie mich sehen. Zudem haben wir auf meinen Vorschlag hin die vier schwächsten Schüler an einen Tisch gesetzt und ich helfe ihnen während des Unterrichts mit den Aufgaben. Schon nach zwei Tagen kam eine Mutter auf mich zu um mir zu sagen, dass ihr Sohn jetzt schon viel besser „schreiben“ würde. 
An zwei Nachmittagen pro Woche unterrichte ich zudem die Lehrwerkstatt Gastronomie in Servicekunde, Marketing, vegetarischer Küche, voraussichtlich Eventmanagement und vielleicht noch in ein paar anderen Dingen, die sich die motivierten Schüler wünschen. Schon im letzten Jahr wurde ich von einer Schülerin gefragt, ob ich die Lehrwerkstatt Gastronomie unterrichten kann. Sie wusste von meinem Unterricht in der Lehrwerkstatt Hotellerie und Tourismus und wollte darum ähnliche Unterrichtsstunden von mir. Damals hatte ich noch zu viele andere Aufgaben und musste sie vertrösten, aber jetzt habe ich mehr als genug Zeit dafür. 

Erneute Änderung meiner Wohnsituation 
Eigentlich sollte ich schon längst in der Wohnung im Büro von Escuela para la Vida wohnen, denn die Wohnung wurde diesen Monat frei und versprochen war sie mir seit Oktober. Eine Woche vor meinem geplanten Umzug in die Wohnung hat sich meine Organisation dann leider doch dagegen entschieden. Ein Grund wurde mir nicht genannt, die Wohnung soll leer bleiben. Ich wohne darum wieder im Freiwilligenhaus und nachdem mittlerweile über 20 Freiwillige ausgezogen sind (alle anderen haben finanziell offensichtlich weniger Probleme, vielleicht weil auβer mir alle noch Kindergeld bekommen), ist es im Freiwilligenhaus ruhiger, sauberer und insgesamt viel angenehmer geworden. Ich hoffe, dass es so bleiben wird! 

Ganz viel Freizeit 
Tatsächlich habe ich meine Freizeit in den letzten Wochen oft im Büro verbracht um dort den Computer benutzen zu können. Mein PC hat ja leider in der ersten Woche in Kolumbien den Geist aufgegeben und ich habe keinen eigenen mehr. Darum habe ich viel Zeit im Büro verbracht, um den Unterricht in der Lehrwerkstatt vorzubereiten und mich schon jetzt über mögliche Arbeitsstellen für meine Rückkehr nach Deutschland im September zu erkundigen. 
Das geht leider nicht mehr, weil das weltwärts-Team hier vor Ort seit letzter Woche nicht mehr möchte, dass ich auβerhalb der Bürozeiten an meinem Arbeitsplatz bin. Zwangsweise kann ich meine Wochenenden somit ausschlieβlich für Freizeitaktivitäten nutzen :-) Das habe ich am vergangenen Wochenende auch direkt getan und passenderweise war es gleich ein verlängertes Wochenende. Am Freitag war ich auf einer Party der Universidad Santiago de Cali. Solche Parties habe ich an meiner Uni in den Niederlanden noch nicht erlebt, die Studenten hier wissen, wie man feiert :-) Samstag und Sonntag habe ich hauptsächlich auf dem Sofa meiner Freundin Esthefania gelesen und ferngesehen. Am Montag bin ich mit Theresa, Esthefania und einem anderen Freund von Pichindé nach Felidia gelaufen, eine sehr schöne etwa 12 Kilometer lange Strecke etwas auβerhalb der Stadt. 
Es ist ungewohnt so viel Freizeit zu haben, das hatte ich schon lange nicht mehr und ich versuche, es zu genieβen. 

Sicherheit: mein zweiter Überfall in Cali 
Leider passierte am Wochenende etwas, was mich dazu veranlasst, zum ersten Mal seit langem über das Thema Sicherheit zu schreiben: Ich wurde mal wieder ausgeraubt und zum ersten Mal mit einer Schusswaffe. 
Am Sonntagmittag auf dem Weg von Esthefania zum Freiwilligenhaus kam mir ein Jugendlicher kurz nach unserer Bushaltestelle entgegen und schrie, dass er meine Tasche haben wollte. Um seiner Forderung mehr Nachdruck zu verleihen, zückte er eine Pistole und richtete sie gegen mich. Da das Stadtviertel, in dem ich wohne in ganz Cali für solche Raubüberfälle bekannt ist, war ich vorbereitet und gab ihm wortlos meinen Jutebeutel. Ich ärgerte mich zwar, dass er gleich meine ganze Tasche mitgenommen hatte, blieb aber genauso ruhig, wie die umstehenden Passanten. Anscheinend habe ich mich an diese Gefahren gewöhnt. 
Mein Beutel wurde kurz darauf gefunden und ich bekam ihn auf Umwegen gegen einen Finderlohn von umgerechnet etwa 10 Euro wieder. Darin befanden sich noch meine kolumbianische SIM-Karte, eins meiner Bücher für die Uni, mein Haustürschlüssel und mein kolumbianischer Ausweis. 
Mein Portemonnaie mit Geld und Busfahrkarte und das kolumbianische Handy waren natürlich weg. Aber auch alle anderen Sachen, wie zum Beispiel meine Zahnbürste und ein wenig Kleidung waren nicht mehr in der Tasche. Anscheinend fanden der Dieb oder der Finder auch dafür Verwendung. 
Ich bin froh, dass mir sonst nichts passiert ist und dass ich richtig reagiert habe. Trotzdem bleibt es beunruhigend, dass es keine sinnvollen Alternativen gibt, um solche Situationen zu vermeiden. 

Unten gibt es noch ein paar Fotos, ich hoffe ihr seid jetzt endlich wieder im Bild über mein Leben hier im schönen Kolumbien und ich versuche demnächst regelmäβiger zu berichten. 

Ganz liebe Grüβe an euch alle, 

eure Bianca  

Meine Vorschulklasse

Wanderung von Pichindé nach Felidia

Kurze Pause am Río Pichindé: Theresa und Esthefania 

Die Aussicht unterwegs

Ankunft in Felidia